Einkommenssituation und Abstiegsängste der Mittelschicht

Beunruhigende Zahlen: Wer für wenig Geld arbeiten muss, ist von der Corona-Krise am härtesten getroffen. 62 Prozent der Haushalte mit einem Netto-Einkommen von unter 1.500 Euro haben in der Krise Einkommensverluste erlitten. In der unteren Mittelschicht sind es ebenfalls deutlich über die Hälfte. Das ist in der neuen Auswertung „Einkommenssituation und Abstiegsängste der Mittelschicht“ des WSI der Hans-Böckler-Stiftung zu lesen. Insgesamt haben viele Haushalte der Mittelschicht auf breiter Front verloren. Hier ist was ins Rutschen geraten.

Zur Wahrheit gehört: Prekäre Beschäftigung hat diese Krise verschlimmert. Und dass es immer mehr unsichere Arbeit gibt, hat seine Ursache in den Deregulierungs-Orgien der Regierungen Schröder und Merkel. Aus der Krise lernen heißt: Schluss damit! Die Zahlen machen aber auch deutlich, was zu tun ist. Zumindest etwas weniger schlimm betroffen sind jene Einkommensgruppen in der Mittelschicht, in denen es besonders häufig unbefristete, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Tarifvertrag und Mitbestimmung gibt – also die Mitte der mittleren Einkommen.

Das bedeutet: Die Politik sollte alles daran setzen, diese Errungenschaften zu stärken und zu schützen. Prekäre Beschäftigung muss abgebaut und existenzsichernde Arbeit aufgebaut werden. Mindestlohn hoch – und zwar ohne Schlupflöcher und Ausnahmen! Das unbefristete Arbeitsverhältnis muss wieder zur Regel werden, indem die sachgrundlose Befristung verboten wird. Um mehr Menschen durch allgemeinverbindliche Tarifverträge zu schützen, wollen wir das Veto-Recht der Arbeitgeber abschaffen. Die betriebliche Mitbestimmung muss ausgeweitet werden, um den Herausforderungen von Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung gerecht zu werden. „Schlecht bezahlte, unsichere Arbeit ist besser als keine“ – dieses Dogma ist in der Krise jedenfalls krachend gescheitert. Dass die Ampel-Verhandlungstruppe dennoch schon angekündigt hat, den Deregulierungs-Kurs zum Beispiel durch Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit fortzusetzen, ist kein gutes Zeichen.