Am 27. Februar haben die Ampel-Parteien zusammen mit der CDU einen verhängnisvollen Paradigmenwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen. Anlass war die Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine. Es ging nicht nur um Waffenlieferungen, Bundeswehr-Entsendungen nach Osteuropa und Sanktionen gegen Russland. Darüber hinaus legitimierten die vier Parteien mit ihrem Entschließungsantrag auch neue Pläne der Ampel-Regierung zur sogenannten „Modernisierung der Bundeswehr“. Wofür diese Chiffre steht, machte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung mehr als deutlich: Ein militärisches Aufrüstungsprogramm in obszönem Umfang, von dem selbst Rüstungslobbyisten bis vor wenigen Wochen noch nicht mal zu träumen wagten. Nicht nur soll das von der NATO geforderte und höchst umstrittene Zwei-Prozent-Ziel übererfüllt werden. Außerdem soll der Bundeswehr ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung zur Verfügung gestellt werden!
Als Alternative zum Antrag der ganz großen Koalition hat DIE LINKE einen Entschließungsantrag eingebracht. Unser Antrag wurde abgelehnt, der Antrag der ganz großen Koalition leider gegen die Stimmen der LINKEN angenommen. In einer gemeinsamen Erklärung haben Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Sören Pellmann, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Klaus Ernst und ich begründet, warum wir den Beschluss für völlig falsch und verheerend halten:
Politische Erklärung
von Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Sören Pellmann, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Klaus Ernst und Christian Leye
Der militärische Großangriff Russlands auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg, den wir unmissverständlich verurteilen. Der Einmarsch in ein anderes Land ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch den Verweis auf eigene Sicherheitsinteressen noch durch ebenfalls völkerrechtswidrige Handlungen der NATO. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage ist absolut ungeeignet, zu einem Ende des Blutvergiessens beizutragen. Die Bundesregierung erhält damit Generalermächtigung für Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine, die Entsendung deutscher Truppen an die russische Grenze und Sanktionen, die vor allem die Bevölkerung in Russland aber auch in die Bevölkerungen in Europa treffen werden.
Der Antrag der Bundesregierung bedeutet den Beginn einer erneuten massiven Aufrüstung und er begründet die Strategie der Abschreckung mit Atomwaffen der NATO in Europa. Der Antrag geht davon aus, dass Sanktionen, die die Bevölkerung treffen, friedensbefördernde Schritte sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, das Gegenteil ist der Fall.
Der Antrag bedeutet die kritiklose Übernahme der vor allem von den USA in den letzten Jahren betriebenen Politik, die für die entstandene Situation maßgebliche Mitverantwortung trägt, wie es der US-Diplomat und ehemalige Planungschef im US-Außenministerium George F. Kennan am 5. Februar 1997 in der New York Times vorausgesagt hat: „Die Osterweiterung der NATO ist der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg. Diese Entscheidung kann erwarten lassen, dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden“.
Wir lehnen diese Generalermächtigung für die Bundesregierung ab, sich de facto am Krieg in der Ukraine mit Waffenlieferungen und Sanktionen, die die Bevölkerung treffen, zu beteiligen.
Nur die Beachtung des Völkerrechts durch alle und die Wiederaufnahme der Diplomatie können zum Frieden führen. Aufrüstung, Waffenlieferungen, Truppenentsendungen und Wirtschaftssanktionen sind der falsche Weg. Wenn die ca. achtzehnfachen Militärausgaben der NATO gegenüber Russland Moskau nicht daran gehindert haben den völkerrechtswidrigen Krieg zu beginnen, dann wird auch die von der Bundesregierung verfolgte Ausgabensteigerung der NATO nicht zum Frieden führen. Zwei Prozent des nationalen BIP für Militär und Rüstung und zusätzlich 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr sind unverantwortlich.
Jetzt muss mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln auf die russische Regierung eingewirkt werden, dass sie die internationalen Abkommen, Regelwerke und völkerrechtlich verbindlichen Verträge, die sie selbst unterschrieben hat und sich damit verpflichtet hat sie zu erfüllen, wieder beachtet und befolgt, darunter die Charta der Vereinten Nationen, die Schlussakte von Helsinki, die Charta von Paris, die NATO-Russland-Grundakte und das Budapester Memorandum. Das setzt voraus, dass auch der Westen in Zukunft keine völkerrechtswidrigen Kriege mehr führt, nicht immer weiter aufrüstet und die internationalen Abkommen, Regelwerke und völkerrechtlich verbindlichen Verträge ebenso beachtet und befolgt, vor allem die Charta der Vereinten Nationen.