
Die heute veröffentlichte Ifo-Konjunkturprognose reiht sich ein in die düsteren Prognosen anderer Forschungsinstitute, der Bundesbank und der Industrie- und Handelskammer: Kaufkraft und Ersparnisse deutscher Haushalte sowie der Fortbestand kleiner und mittelständischer Unternehmen sind bedroht. Die Ökonomen des Ifo-Instituts prognostizieren eine „Winterrezession“. Demnach werde die deutsche Wirtschaft in 2023 um 0,3 Prozent schrumpfen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle rechnet sogar mit einem Einbruch von 1,4 Prozent.
Besonders drastisch sind die Ifo-Prognosen zur Verteuerung in Deutschland: Sie schätzen die Inflationsrate in diesem Jahr auf 8,1 Prozent. 2023 soll sie sogar auf 9,3 Prozent steigen. Besonders schlimm wird es demnach Anfang des kommenden Jahres, wenn die Energieversorger ihre Strom- und Gaspreise nochmal spürbar an die Beschaffungskosten anpassen: Das werde die Teuerungsrate zunächst sogar auf elf Prozent hochtreiben. Das Entlastungspaket der Bundesregierung werde diese Entwicklung zwar etwas abmildern, aber bei Weitem nicht ausgleichen. Der Kaufkraftverlust pro Kopf dürfte in diesem und im kommenden Jahr bei jeweils drei Prozent liegen!
Haushalten und Unternehmen steht das Wasser schon jetzt bis zum Hals. Sollten sie untergehen, werden abertausende Arbeitsplätze betroffen sein. Das spiegelt sich auch in der ebenfalls heute veröffentlichten vorläufigen Zahl des Statistischen Bundesamtes zu Unternehmenspleiten wider: Angesichts der Gaskrise und hoher Inflation ist die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland im August um 6,6 Prozent gestiegen. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft sieht mittlerweile über eine Million Unternehmen bedroht.
Eins ist klar: Um die Pleitewelle noch aufzuhalten, wird die Regierung nicht umhin kommen, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Doch für eine ernsthafte Lösung der Probleme muss die Sanktionspolitik, die uns geradeaus weiter in die Rezession führt, ökonomisch diskutiert werden dürfen, ohne dass aus Regierungskreisen laut ‚Verrat‘ gerufen wird.
Wir befinden uns wahrscheinlich am Anfang einer Deindustrialisierungs-Spirale. Je länger sie anhält, umso schwieriger wird es, wieder aus ihr herauszukommen. Die Kosten zahlen zuerst die Menschen, die ihren Arbeitsplatz in der Industrie haben. Und den unbedingt notwendigen sozial-ökologischen Umbau hin zu klimafreundlicher Produktion, der Arbeitsplätze langfristig sichern würde, kann man sich mitten in einer Pleite- und Verlagerungswelle wohl auch eher abschminken. Darum und wegen der drohenden massiven Verarmung wird es auch für den Rest der Gesellschaft drastische Folgen haben, wenn industrielle Kerne in Größenordnungen wegbrechen. Keine Ausreden mehr: Es ist die Aufgabe der Politik, das zu verhindern!